Fühlen Sie sich oft auch so unsicher in dem kurzen Moment, bevor Sie jemanden begrüßen, vielleicht einen Geschäftskontakt, oder eine Bekannte, die Sie länger nicht getroffen haben? Strecke ich die Hand zum kurzen Schütteln aus, deute ich lieber ein Winken an, oder lege ich, wie oft in Corona-Zeiten gesehen, die Hände zum Namasté-Gruß vor der Brust zusammen? Oder waren wir beim letzten Treffen auf „Küsschen rechts-Küsschen links-Basis gewesen?
Zunehmende Lässigkeit im Umgang miteinander, der zunehmende Einfluss verschiedener Kulturen und Traditionen in Zeiten der Globlisierung sowie Hygienebedenken nach der Pandemie haben zu einer wachsenden Verwirrung in Begrüßungssituation geführt, sowohl im Berufsleben, als auch privat. In Deutschland und seinen europäischen Nachbarstaaten ist in den meisten formellen oder geschäftlichen Situationen immer noch der Händedruck üblich; doch es gibt viele Situationen, in denen die Lage weniger eindeutig ist.
Wenn man zurückschaut, ist das Händeschütteln ein natürliches menschliches Verhalten mit langer Tradition. Studien an Schimpansen und Bonobo-Affen zeigen, dass die Tiere nach einem Konflikt einen Händedruck austauschen, ähnlich wie zwei Tennisspieler nach dem Match auf dem Center Court – eine symbolhafte Geste, um Feindseligkeiten zu glätten und die Harmonie wiederherzustellen. Auch von Anthropologen entdeckte, bislang völlig isoliert lebende Stämme im Amazonasgebiet und in Südostasien reagierten ähnlich auf angebotene Händedrücke und erwiderten sie. Schon in grauer Vorzeit tauchte der Händedruck erstmals in Mesopotamien auf, als Mittel zur Besiegelung von Allianzen und Vereinbarungen. Und auch im antiken Griechenland und Rom galt er als Zeichen von Respekt und Gleichberechtigung. Im Mittelalter entwickelte er sich weiter, als greifbarer Beweis, dass keine der Parteien Waffen zur Hand hatte.
Im Europa des 18. Jahrhunderts war das Begrüßungszeremoniell in der Oberschicht ein höfischer Tanz aus Verbeugungen, Knicksen, Kopfnicken, und Hutschwenken. Dieses weitschweifige Verhalten wurde im 19. Jahrhundert allmählich wieder vom simplen, aber damals als egalitär geltenden Händedruck abgelöst. Dabei signalisierte das Ergreifen der Hände, dass sich beide Partner auf Augenhöhe begegneten. Händedrücke zwischen Männern und Frauen blieben jedoch lange unüblich, da es als ein Zeichen von Intimität zwischen den Geschlechtern galt, sich zu berühren, völlig unüblich unter sich fremden Menschen außerhalb der Familie (wie es im arabischen Kulturkreis ja auch heute noch gilt).
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielt der Händedruck allmählich eine feste Bedeutung: als physisches Symbol eines Versprechens oder einer vertrauenswürdigen Vereinbarung. So wurde im Geschäftsleben ein Handschlag zum Besiegeln eines Geschäfts oder als Zeichen eines „Gentlemen’s Agreement“ genutzt. Er galt als bindende Verpflichtung; ein Bruch eines durch Handschlag besiegelten Deals wurde als besonders verwerflich weil ehrenrührig angesehen.
Aber auch die Art der Ausführung des Handschlags kennt verschiedene Varianten, oft bedingt durch kulturelle Unterschiede: Im Westen schätzen wir einen festen Händedruck, denn eine zu schlaffe Hand mit wenig Druck wirkt zögerlich oder desinteressiert. In Asien dagegen ist ein weicher Händedruck durchaus erwünscht. Vor allem aber sollte die Hand trocken sein: verschwitzte Handflächen oder nicht ausreichend abgetrocknete Hände wirken unangenehm und vermitteln Unsicherheit oder Anspannung.
Der Händedruck setzte sich danach als weltweit häufigste Begrüßung durch und wird heute in den meisten Ländern akzeptiert – auch wenn er kein universelles Begrüßungsritual ist. So ist in Indien der oben erwähnte „Namasté“-Gruß üblich, während in arabischen Ländern oft die rechte Hand aufs Herz gelegt wird. Oder in Japan sind fein abgestufte Verbeugungen weiterhin die Norm.
Trotz seiner nahezu universellen Anerkennung ist der traditionelle feste Händedruck insbesondere in den letzten fünf Jahren allerdings immer mehr von anderen Arten der Begrüßung verdrängt worden. Die Angst vor Ansteckung bei physischem Kontakt während der Corona-Pandemie ließ Handschläge als potenziell riskant erscheinen, was dazu führte, dass Menschen mit alternativen, meist kurzlebigen Begrüßungsformen wie Ellbogen-Stupsen oder Fauststoß experimentierten. Nach Abklingen der Corona-Krise wirkte der Handschlag dann irgendwie fremd und ungewohnt, sodass dann häufig zur Begrüßung nur noch mit Augenkontakt freundlich genickt wurde, um Hallo zu sagen.
In manchen Kreisen, insbesondere dort, wo Kreativität und lässiger Umgang miteinander herrschen, wurde die steife Förmlichkeit durch eine Kombi mit Heranziehen des anderen und einarmiger Halbumarmung – den sogenannten „Bro Hug“ – abgemildert. Vermutlich stammt diese Mischung aus Umarmung, Handschlag und Kuss auf die Wange aus Amerika, wurde in Europa aber nur in Teilen übernommen, denn jenseits der Sport- oder Rapper-Musikszene wirkt sie doch eher seltsam und unangebracht.
Frauen können es sich da leichter machen und zumindest untereinander im Privatleben auf eine leichte Umarmung oder ein einfaches oder doppeltes Küsschen auf die Wange ausweichen. Umarmungen und Wangenküsse werden unter jüngeren Generationen immer üblicher, auch bei jungen Männern untereinander, die diese Form der Begrüßung auch gerne mal spontan gegenüber Älteren anwenden – was bei der Gegenseite nicht immer gut ankommen muss. Hier ist Gespür und Beobachtungsgabe gefragt, denn ältere Menschen lehnen oft zu persönliche oder mit viel Körperkontakt verbundene Begrüßungen ab. Im Zweifel ist es daher immer besser, dem älteren oder im Rang höher stehenden Gegenüber ein paar Sekunden Vorsprung zulassen und sich flexibel der Begrüßungsform anzupassen, die von dort angeboten wird.
Aber welche Option man auch wählt: Begrüßungen sollten immer mit einem Lächeln und einer entschiedenen Geste erfolgen – Zögerlichkeit sorgt nur für peinliche Momente. Das ein Stück Vortreten mit ausgestreckter rechter Hand wird jedenfalls weltweit als Einladung zum Handschlag verstanden, damit kann man im beruflichen Zusammenhang nichts falsch machen.
Und wenn Sie sich mal total unsicher sich, was passend wäre, einfach fragen, was dem anderen am liebsten wäre!