die 10 gebote der handy-etikette

Seit in den späten 1990er Jahren die ersten Handys aufkamen und für alle Nutzer erschwinglich wurden, hat sich Art und Umfang der täglichen Nutzung sehr verändert. Wo vorher nur telefonieren und SMS-schreiben möglich war, sind heutige Smartphones digitale Alleskönner. Wir wickeln praktisch unsere gesamte Kommunikation damit ab (bis hin zu Video Calls), können mit ihnen auf Kamera-Niveau fotografieren, Musik hören, Filme streamen und Games spielen – nur zum Anrufen nutzen wir die Geräte immer weniger. Entsprechend haben sich im Alltag auch neue Nutzungsgewohnheiten herausgebildet, und nicht alle zeugen von gutem Benehmen.

Früher war alles anders

Klingelte in den 1980er oder 90er Jahren zuhause das einzige Telefon der Familie, ein grau-weißes, orangefarbenes oder tannengrünes Hartplastikteil mit Wählscheibe oder später mit ausgeleierten Tasten (mehr Farben oder Ausführungen gab es nicht), sprang auf, wer sich gerade am nächsten aufhielt und nannte beim Abnehmen des Hörers höflich und deutlich seinen Namen, um dann nach dem Anliegen des Anrufers zu fragen. Oft wurde daraufhin das gewünschte Familienmitglied an den Apparat geholt oder ein Rückrufwunsch notiert. Denn Rufnummernkennung konnten diese Geräte noch nicht, ein Anrufbeantworter war nicht standardmäßig integriert.

Das Telefon einfach mal klingeln zu lassen, stand außer Frage, das galt als zutiefst unhöflich. Einzige Ausnahmen: Während der Mahlzeiten, oder zwischen 20 und 20:15 Uhr, wenn die Tagesschau im Fernsehen lief (doch wer damals einigermaßen gute Manieren sein eigen nannte, rief in dieser „heiligen Viertelstunde“ bei Freunden oder Verwandten sowieso nicht an). Geschäftsanrufe gab es abends sowieso nicht.

Neue Zeiten, neue Telefon-Sitten

Ganz anders heute, in der digitalen Welt: Wir tragen kabellose, multifunktional einsetzbare Telefone mit verschiedensten Ausstattungen und Speicherkapazitäten mit uns herum, aber gleichzeitig sind wir zunehmend misstrauisch gegenüber dem geworden, was einst als deren Hauptfunktion galt. Das Beantworten eines eingehenden Anrufs gilt heute als optional und wird in vielen Situationen als unangemessen betrachtet. Den Klingelton permanent auf stumm geschaltet zu lassen ist eher Regel denn Ausnahme. Moderne Kommunikation erfolgt meist über Messenger-Dienste, soziale Medien, E-Mails und Sprachnachrichten. Im Allgemeinen scheinen die Menschen mit weniger direkten Wegen der Kommunikation besser zurecht zu kommen – vielleicht eine instinktive Abwehrreaktion gegenüber der auf Dauer doch belastenden ständigen Erreichbarkeit, für die moderne Handys geschaffen wurden.

Zeit wird’s also für die 10 goldenen Regeln der Handy-Etikette:

1. Nicht „einfach so“ mal anrufen, auch nicht bei engen Freunden, lieber vorher eine WhatsApp schreiben und fragen, ob/wann es passt.

Gerade von jüngeren Menschen (Gen Z!) wird diese Vorgehensweise als stressfreieste Art der Kontaktaufnahme empfunden, da sie unaufdringlich ist und Notlügen erspart, wenn man gerade keine Zeit oder einfach keine Lust hat, zu telefonieren. Im beruflichen Umfeld solltet Ihr mit etwas Vorlauf per Mail einen Telefontermin abmachen, unter kurzer Angabe der Gründe für den Anrufwunsch.

2. Hier kommt eine beruhigende Nachricht: Verpasste Anrufe ohne zugehörige Mailboxnachricht mit Rückrufbitte müsst Ihr nicht zwangsläufig beantworten, auch wenn Ihr die Nummer erkennt – hätte der Anrufer das gewollt, hätte er ja eine Nachricht hinterlassen oder eine entsprechende SMS hinterhergeschickt.

Ausnahme: Anrufe von Eltern, Großeltern oder anderen Angehörigen einer älteren Generation, die ins Leere gingen; diese Anrufer werden eher einen Rückruf erwarten auch ohne ausdrücklich Bitte darum, also sollte man ihnen den Gefallen tun.

Ein anderer Fall sind Geschäftsanrufe: Wenn ein Vorgesetzter oder guter Kunde anruft, solltet Ihr möglichst drangehen, sonst gibt es unter Umständen negative Konsequenzen im Job.

3. Habt Ihr jemanden nicht erreicht, den Ihr dringend sprechen müsst, nicht mehrfach kurz hintereinander anrufen, solches Telefon-Stalking ist übergriffig und wirkt schnell unsouverän. Besser: Text- oder Sprachnachricht schicken und kurz erklären, warum es so eilt und ein Rückruf wichtig wäre.

4. Thema Sprachnachrichten, Ergänzung: Was für die Absendenden super angenehm ist, weil sie sich gerade bei längeren Botschaften das nervige Tippen sparen, kann für den Empfänger schnell zum Ärgernis werden, wenn er oder sie gerade in einer Konferenz oder Kneipe sitzt und nicht wirklich diskret nebenbei den Inhalt der Nachricht abrufen kann. Also beim Verfassen von Nachrichten bitte immer berücksichtigen, in welchem Umfeld sich der Empfangende wohl gerade befindet – und wenn die Sprachnachricht absehbar mehrere Minuten dauern würde, weil es soviel mitzuteilen gibt,  vielleicht doch lieber gleich Telefontermin vereinbaren!?

5. Denkt immer daran, dass manche Menschen Euren Anruf als Alarmsignal missverstehen könnten. Da unerwartete Anrufe immer seltener werden, reagieren die Menschen eher mit einem Schreckgefühl darauf. Wer zum Beispiel einen Anruf von der Schule des Kindes auf dem Handy aufblinken sieht, hat vielleicht als ersten Gedanken, dass es einen Unfall gegeben haben muss. Aus diesem Grund wird solchen Anrufenden (aus Schulen, Arztpraxen, Krankenhäusern usw.) meist in Schulungen beigebracht, dass sie das Gespräch mit ein paar beruhigende Floskeln einleiten sollten („Es gibt keinen Grund zur Sorge“ …). Alternativ kann man natürlich auch in solchen Fällen vorher eine SMS schicken.

6. Bitte immer bedenken: Gerade Menschen in stressigen Lebensphasen/ -situationen freuen sich normalerweise eher nicht, wenn sie überraschend angerufen werden. Wenn Ihr also jemanden spontan anrufen wollt oder müsst, die Gesprächspartner nicht gleich zu Beginn zutexten, sondern gebt ihnen die Chance, offen zu sagen, ob es gerade passt mit dem Anruf, oder nicht.

Das geht zum Beispiel mit der Floskel „Kannst Du gerade sprechen, oder ist es eher schlecht?“ oder „Störe ich Dich gerade?“ und dann innezuhalten und eine hoffentlich ehrliche Reaktion abzuwarten.

7. Bevor Ihr zum Handy greift und eine Nummer drückt, die Sendeleistung checken, unter 2 bis 3 Balken geht’s nicht! Nichts ist peinlicher und für den Angerufenen mühsamer, als wenn nur Störgeräusche oder Wortsalat ankommen, wenn man schon mal spontan ans Telefon geht, und dann mehre vergebliche Versuche folgen, sich gegenseitig endlich mit einer stabilen Verbindung zu erreichen, bevor der Angerufene überhaupt weiß, warum er gerade seine Zeit verschwendet.

8. Beim Versenden von Textnachrichten auf ein Mindestmaß an Form achten! Niemand erwartet heutzutage, dass eine SMS genauso sorgfältig ausformuliert und mit Anrede und Schlussformel versehen ist, wie ein Geschäftsbrief. Wer am liebsten immer alles klein schreibt, kommt auch damit durch, ohne als unhöflich zu gelten. Aber zu viele Insider-Abkürzungen (LOL, IMHO …), sowie eklatante Rechtschreib- oder Grammatikfehler sollte man vermeiden, wenn man einmal aus dem Teenager-Alter raus ist. Denn solche schlechten Gewohnheiten übertragen sich leider gerne auch mal später auf den Umgang mit Chatprogrammen wie Teams oder Slack im beruflichen Umfeld, was dann leicht unprofessionell wirken kann.

9. Kein Multitasking beim Telefonieren, konzentriert Euch auf das Gespräch, insbesondere, wenn es sich um eine Verabredung handelt. Wir tragen unsere Handys ständig mit uns herum und finden schon lange nichts mehr dabei, im überfüllten Bus, auf der Straße im Verkehrslärm oder zuhause beim Kochen zu telefonieren. Diese Anrufe mit Störgeräuschen inklusive sind für die Person am anderen Ende der Leitung eine Zumutung und auch despektierlich, weil dieses Verhalten impliziert, die eigene Zeit sei rarer und wichtiger, als die der anderen. Also, wenn irgend möglich bitte unabgelenkt in ruhiger Umgebung telefonieren, und diskret, mit Headset oder Ohrstöpsel! 

10. Wohin mit dem Handy in Gesellschaft, beim Essen oder im Meeting?

Zum guten Schluss kommt hier die wichtigste Regel: Das Handy gehört nicht auf den Tisch, weder beim Essen zuhause oder im Restaurant, noch beim Meeting im Job, sondern aus- oder auf stumm geschaltet in die Tasche. Merke: Wer wirklich wichtig ist, hat es nicht nötig, immer erreichbar zu sein – und hat im Job Assistentinnen oder Assistenten, die Anrufe annehmen und nach Priorität filtern.


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